Jagderzählung Damhirsch

April 12, 2019

Noch etwas schlaftrunken schlürfen die Jäger den heißen Kaffee, den Max in der „Hubertus Hunting Lodge“ zubereitet hat. Es geht los. Bevor es hell wird, müssen wir im Wald am richtigen Ort sein. Denn es soll eine erfolgreiche Jagd werden.

Max van Amelsfoort an der Brunftkuhle eines Damhirschs. Der Brunftschaufler behauptet hier seinen Platz und wartet auf das Kahlwild.

Der Geländewagen des Jagdführers rumpelt langsam über die endlos erscheinenden Waldwege des weitläufigen Reviers. Wir halten an und lauschen in die Dunkelheit – wo rülpsen sie, die Damschaufler? Und wie ist die Windrichtung? Der Jagdführer ist Berufsjäger und kennt die Gegend wie seine Westentasche, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Der Wagen wird abgestellt, die Türen lautlos geschlossen. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter.

Es ist immer noch stockdunkel und so pirschen wir eine Weile auf den, zum Glück, geraden und gepflegten Wegen. Dann warten wir an einem strategisch günstigen Punkt auf die Dämmerung. Sobald es das anbrechende Tageslicht zulässt, wollen wir den ausgewählten Brunftplatz anpirschen. Immer wieder prüfen wir die Windrichtung. Das unüberhörbare, kehlige Rülpsen des Brunfthirsches dringt zu uns herüber.

Laut- und bewegungslos verharren wir in der Dunkelheit. Wir dürfen das Kahlwild, welches überall um uns herum sein könnte, nicht auf uns aufmerksam machen. Das weilbliche Damwild ist äußerst wachsam, mit seinen scharfen Sinnen nimmt es jede Bewegung und jedes Geräusch wahr. Wir müssen noch warten.

Niemand weiß, ob nur zwei oder vielleicht sogar zwanzig Augen- und Ohrenpaare um uns herum sind. Sie sind darauf geeicht mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen. Springt das Kahlwild ab, ist auch der Damschaufler auf dem Brunftplatz gewarnt. Im Rausch der Hormone ist er zwar etwas un-sensibel im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Außenwelt, aber trotzdem würde er erst einmal wegziehen. Droht keine Gefahr, ist der Hirsch auf dem Brunftplatz schwer beschäftigt. Er vergrößert seine Brunftkuhle, vertreibt eventuelle Rivalen und hält seine Beihirsche in Schach. Und er ist bemüht, das Kahlwild anzulocken – ein harter Job. Über die Brunftzeit hinweg kostet ihn das durchaus bis zu zwanzig Kilo seines Körpergewichts.

Endlich setzt die Dämmerung ein. Die Pirsch geht weiter und der Adrenalinspiegel steigt. Wir verlassen nun den bequemen Weg und versuchen so lautlos wie eben möglich durch den lichten, herbstlichen Wald zu pirschen.

Die Pirsch geht durch unsere wunderschönen Wälder, die sich durch besonderen Wildreichtum auszeichnen.

Wir pischen im Schutz kleiner Dickungen oder Baumgruppen.

Der vergangene heiße Sommer und die trockene Witterung, jetzt im Oktober, machen es uns schwer. Das bunte Laub ist trocken, es raschelt und knistert unter unseren Füßen. Jedes Ästchen bricht knackend, wenn man darauf tritt. Immer wieder halten wir inne und beobachten unser Umfeld.

Es nützt nichts – wir sind zu laut. Der Jagdführer signalisiert, dass es nötig ist, die Schuhe auszuziehen. So haben wir mehr Gefühl für den Untergrund. Es ist erst etwas unbehaglich, den Waldboden nur durch die Socken zu spüren. Doch schnell stellt sich eine ungekannte Beschwingtheit ein. Wir sind viel leiser und schneller unterwegs. Inzwischen ist die Dämmerung dem Morgenlicht gewichen, die Sonne geht bereits auf.

Das Rülpsen wird lauter, wir sind nun nahe am Brunftplatz. Zwischen den Bäumen sehen wir schon den Brunftschaufler. Er wirkt nervös und ist ständig in Bewegung. Ein grandioser Anblick. Das Herz schlägt bis zum Hals und die Spannung steigt mit jeder Sekunde.

Ein prächtiger, reifer Schaufler präsentiert sich in etwa 70 m Entfernung. Wir bringen uns in eine günstige Position. Das Schussfeld muss frei sein. Näher heran kommen wir nicht.

Es ist nicht verkehrt, das Schießen vom Schießstock immer mal wieder zu üben, damit es im entscheidenden Moment schnell geht.

Behände und lautlos stellt der Pirschführer den Schießstock auf. Jetzt muss es schnell gehen, denn der Hirsch bewegt sich ständig und verharrt nur kurz. Waffe auflegen, anvisieren, entsichern und Schussabgabe.

Der alte Hirsch ist gestreckt. Die enorme Anspannung weicht einem Gefühl der Erleichterung. Auf diesem Brunftplatz kann nun ein junger starker Nachwuchshirsch das Zepter übernehmen. Wir zollen dem erlegten Damhirsch unseren Respekt. Der letzte Bissen und der Inbesitz-nahmebruch sind gelebtes Jagdbrauchtum.

Dem Jäger wird der Schützenbruch überreicht. Es ist die alte Tradition der Waidmänner, die hier zum Ausdruck kommt und über die Zeit hinweg bewahrt wird. Geschickt und fachgerecht versorgt der Pirschführer das erlegte Wild. Anschließend treten wir den Rückweg an.

Zurück in der „Hubertus Hunting Lodge“ wird ausgiebig gefrühstückt. Die Jäger berichten von ihren Jagderlebnissen. Vielleicht ist hier und da ein bisschen Jägerlatein dabei. Nun, auch das gehört dazu. Einig sind sich alle, es war eine wunderbare Jagd und viele Er- wartungen wurden übertroffen.

Es ist eine spannende Jagd – die Jagd auf den Damschaufler. Wer sie erlebt hat, wird diese Erinnerungen für immer in sich tragen.

Ein herzliches Waidmannsheil

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